Leni Alexander (1924-2005) wurde in Breslau geboren und wuchs in einem musikalischen Umfeld auf. Ihre Mutter, Ilse Pollack, war eine bekannte Opernsängerin und Leni Alexander erhielt früh Klavierunterricht. Von 1927 bis zur 1938 lebte die jüdische Familie in Hamburg. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 floh sie mit ihren Eltern über Amsterdam nach Chile. Sie studierte später in Europa Komposition und knüpfte enge Kontakte zu Pierre Boulez, Luigi Nono und Olivier Messiaen. Nach dem Militärputsch in Chile 1973 blieb sie als Anhängerin Allendes in Paris. Sie engagierte sich gegen Unterdrückung und Verfolgung und verarbeitete ihre Erfahrungen mit zwei Diktaturen und dem Leben im Exil in Hörspielen und Kompositionen. Erst 1986 kehrte sie nach Santiago de Chile zurück.
1967 lernte sie Leo Brouwer in Kuba kennen, mit dem sie seit dem freundschaftlich verbunden war. Die Komposition „Meralo“ (1973) ist Brouwer gewidmet und wurde von ihm am 23. Juli 1974 im Rahmen des Musikfestivals in Arles (Südfrankreich) uraufgeführt.
Bemerkenswert und deshalb hier aufgeführt war Brouwers Konzertprogramm, in dem er Alte und Neue Musik einander gegenüberstellte:
1– LUYS MILAN – Fantasia del VIII tono
MAURICA OHANA – Planh (de „Si le jour para´t“)
2- LUYS de NARVAEZ – Diferencias sobre „Guardame las vacas“
JOSEP MESTRES QUADRENY – Perludi
3- DOMENICO SCARLATTI – Sonata en Mi
SYLVANO BUSSOTI – Rara (Echi sierologique)
4- Folklore – Air populaire latino-américain
L. ALEXANDER – Meralo
5- Anonyme – Pièce de la Renaissance
GIROLAMO ARRIGO – Serenata
6- SYLVIUS LEOPOLD WEISS – Allemande
HANS WERNER HENZE – Memorias de „El Cimarron“
„Meralo“ enthält sowohl serielle als auch aleatorische Ansätze und ist frei von Tonalität. Es ist eine virtuose, technisch anspruchsvolle Komposition, die große Gegensätze von einerseits genauen Vorgaben und andererseits freier Gestaltung in sich vereint. Das Manuskript ist gut leserlich und frei zugänglich in der Nationalbibliothek Chile. Es existiert auch eine Transkription, die allerdings zahlreiche Übertragungsfehler enthält.
Im Manuskript ist der Komposition die erste Zeile aus Charles Baudelaires „L’Homme et la Mer“ als Zitat vorangestellt:
„Homme libre, toujours tu chériras la mer“ (dt: „freier Mensch, für immer wirst du das Meer lieben“)
Zwei weitere Werke mit Gitarre sind als Auftragskompositionen der Gitarristin Angelika Seegers zu verdanken, die seit 1992 zu der Komponistin Kontakt pflegte. „Gestern kannte ich deinen Namen noch nicht“ (Gitarre und Schlagzeug, 1997) und „Die Geschichte des Wagens“ (Gitarre und Violoncello, 2001).