Kruisbrink: „Schneller Start. Eine Schule für Gitarre. Bd. 1 und 2“

 

Annette Kruisbrink gelingt im ersten Band ihres Lehrwerkes eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Instrument und dessen Eigenheiten sowie die Vermittlung von notwendigen musiktheoretischen Grundlagen auf komprimierte, direkte und leicht zu erfassende Weise.

 

Eine eigene Gitarrenschule für Anfänger zu schreiben, war nicht das ursprüngliche Anliegen der Komponistin, da sie die bereits bestehende Vielzahl verschiedenster Unterrichtswerke mit einem eher einfachen Ansatz und langsamen Lernfortschritt nicht durch eine ähnliche Methode ergänzen wollte. Die Anfrage des belgischen Notenverlags Digital Music Print aus Antwerpen gab jedoch schließlich den Anstoß ein eigenes Lehrbuch in zwei Teilen zu verfassen, genannt „Snel van Start“, welches auch ins Deutsche („Schneller Start“) und Französische („Démarrage rapide“) übersetzt wurde. Da sich A. Kruisbrink nach den Gitarristen des 19. Jahrhunderts wie Carulli, Coste oder Aguado richtet, ist der Ansatz dieser Schule eher anspruchsvoll und kann einen sehr schnellen Lernfortschritt mit sich bringen (A. Kruisbrink, persönliche Kommunikation, 19.03.2021).

 

Die Komponistin beschreibt ihre Gitarrenschule als „kompakte Schule für klassische Gitarre“ (Kruisbrink, A.: Schneller Start, S. 3) und behandelt darin in zwei Bänden die relevantesten Techniken für Gitarre in Kombination mit allen zunächst wichtigen musiktheoretischen Bezeichnungen. Ausgerichtet ist das Lehrbuch für ein gründliches, schnelles und zielgerichtetes Lernen. Beide Bände beinhalten jeweils 35 Übungen und Stücke aus verschiedenen Epochen, bedienen dabei unterschiedliche Stilistiken und beziehen sich auf bekannte sowie auch auf selten erwähnte Komponisten. Eingespielt sind alle Titel auf CD mit entsprechenden Metronomvorgaben.

 

Der zweite Band vertieft den Bereich Technik, Lagenspiel, Tempo, Dynamik und Artikulation, anhand einer Reihe interessanter Stücke von Komponisten wie Coste, Guiliani, Sanz, Ferrer und der Komponistin selbst. Auch weiterführende Techniken wie Barré, Tremolo, Verzierungen, Flageolett sowie Pizzicato und Tambora werden thematisiert.

 

Besonders ist an dieser Schule, dass kein Detail außer Acht gelassen wird und dass jedes spezifische Merkmal der Gitarre und ihrer Technik verknüpft wird mit theoretischen Informationen, die allen Schüler:innen und Leser:innen die Möglichkeit gibt, sich nach individueller Lerntechnik das Wissen anzueignen und zu behalten. Vom detaillierten Aufbau des Instruments, über Spielhaltung, das Spiel mit Nägeln und deren Pflege, das Lesen und Verstehen von Akkordgriffbildern, Tirando- und Apoyandoanschlag, der diatonischen Tonleiter von G bis g‘ in den ersten drei Bünden, Notationsbezeichnungen, Rhythmus, Bindetechnik bis hin zum Stimmen der Gitarre nach Gehör wird alles durchgenommen. Der schnelle Lernfortschritt wird mit deutlichen und verständlichen Erklärungen und Abbildungen ermöglicht.

 

Die Schule von A. Kruisbrink unterscheidet sich somit von anderen Gitarrenschulen. Auf das Spiel mit Nägeln einzugehen ist häufig die Aufgabe der Lehrenden, ohne dass ein Lehrbuch darauf hinweist. A. Kruisbrink thematisiert die Nagelpflege zu Beginn, jedoch Bedarf es einer genaueren Anleitung durch die Lehrperson. Das Fortschreiten der Lerninhalte geht sehr schnell. Mit jeder neuen Übung wird bereits ein neuer Inhalt aufgezeigt. Begonnen wird in Übung Nr. 1 mit allen drei Basssaiten, die mit Daumenapoyando gespielt werden. Zeige-, Mittel- und Ringfinger stützen sich dabei auf den Diskantsaiten ab. In Übung Nr. 5 wird zusätzlich zum Daumenapoyando der Tirandoanschlag für i m a eingeführt. Beide Varianten, tirando als auch apoyando, werden vorgestellt und anhand der folgenden Stücke gleichermaßen geübt. Das versetzte/ unechte zweistimmige Spiel beginnt mit leeren Basssaiten und geht nach drei Übungen zum gleichzeitigen/ echten zweistimmigen Spiel mit gegriffenen Bässen über. Bindungen werden ebenfalls sehr früh eingesetzt. Zuerst die Aufschlagsbindung, anschließend die Abzugsbindung.

 

Das Lehrbuch besteht aus einem theoretischen Teil, in dem die bisher erwähnten Inhalte durch Tonübungen, Tonleitern und Übungsstücke der Komponistin geübt werden. Im Anschluss folgt ein praktischer Teil, in dem weitere musiktheoretische Begriffe sowie neue Techniken anhand von komplexeren Tonleitern, Akkordrepetitionen und Akkordzerlegungen, Werken der Komponistin sowie klassischen Werken aus verschiedenen Epochen vertieft werden, darunter „Summersong“ von Neidhart von Reuenthal (± 1180 – ± 1240, Deutscher Minnesänger), „Cantiga“ von Alphonse X de Castille (1221-1284) aus Cantigas de Santa Maria Nr. 7, „Schiarazula Marazula“ von Georgio Mainerio (1535 – 1582), „Lezione“ von Francesco Molino (1768 – 1847), „Valse“ von Dionisio Aguado (1784 – 1849), „Andante“ von Fernando Carulli (1770 – 1841), „Etüde in C“ von Matteo Carcassi (1792 – 1853), „Enfantillage“ von Jaime Bosch (1826 – 1895), „Tell me Daphne“ von William Byrd (1543 – 1623), „Leccion“ von Fernando Sor (1778 – 1839) und Eigenkompositionen von Annette Kruisbrink, darunter „Bassa 2“, „Triole“, „Etüde in d-moll“, „Cordiale“ und „Bagatelle“.

 

Vermittelt werden in dem zweiten Teil Dämpftechnik, Auf-und Abzugsbindungen, rhythmische Vertiefungen, zweistimmiges Spiel, auch mit gegriffenen Bässen, Vorzeichen, Tonleitern und Läufe bis zum h im siebten Bund auf der ersten Saite innerhalb der Stücke, Akkordrepetitionen und Akkordzerlegungen in Sechzehnteln. Einen größeren Platz nehmen das Lagenspiel sowie Versetzungszeichen, die chromatische Tonleiter von E (sechste Saite) bis gis (erste Saite) und das Akkordspiel ein. Das Lagenspiel und seine Notationsweise werden ausführlich erläutert und anhand einer Übung verinnerlicht, #, b und Auflösungszeichen werden ebenfalls bildlich erklärt und in die Übung mit einbezogen. Direkt im Anschluss folgt die chromatische Tonleiter mit zweifachen, enharmonischen Tonbezeichnungen. Im dazugehörigen Übestück werden eine Vielzahl der neuen Töne mit eingebracht. Als Akkorde werden Em, E, Am, C, Dm, G7 vorgestellt und analysiert. Dargestellt sind sie im Notenbild und in Griffdiagrammen. Der gleichzeitige sowie der zerlegte Anschlag werden gleichermaßen geübt.

 

 

Annette Kruisbrink: „Schneller Start. Eine Schule für Gitarre. Bd. 1“; Digital Music Print Antwerpen: 2010.

 

 

Autorin: Sophia Behr